Was erwartet die Weiterbildungsbranche in naher Zukunft? Ende des Jahres blickt Lernwerkstatt CEO Daniel Herzog jeweils in die Kristallkugel. Was ist aus seinen Vorhersagen der letzten zwei Jahre eingetroffen und was nicht?
Eines der Phänomene 2020 war der Durchbruch der Wissensvermittlung mittels virtuellem Unterricht. Kaum ein Weiterbildungsanbieter kann es sich heute noch leisten, nicht fit zu sein im Bereich Online-Learning oder -Coaching. Dieser Paradigmenwechsel hat sich auch im 2021 und dieses Jahr verstärkt. Zwangsläufig ist eine Steigerung der Anwender- und Umsetzungskompetenz bemerkbar. Dies hat zu einem kompletten Umdenken in den Weiterbildungsinstituten gesorgt. Das war eine der Voraussagen von Daniel Herzog in seinem traditionellen Blick in die «Kristallkugel der Weiterbildungsbranche». Was ist aus dieser These und den anderen Vorhersagen geworden?
Daniel Herzog (2021): Blended Learning gewinnt immer weiter an Bedeutung. Was vor zwei Jahren in den Köpfen vieler Bildungsanbieter noch als Science-Fiction galt, ist mit der Corona-Pandemie innert Kürze möglich geworden. Und es funktioniert, als hätten wir nie etwas anderes getan. Soziale Nähe kommt im virtuellen Raum zwar etwas zu kurz, und gewisse Inhalte können nur schlecht vermittelt und trainiert werden. Als Antwort darauf haben Unternehmen und die Verwaltung Blended Learning entdeckt. Die Technologien, die noch bessere Settings dafür ermöglichen, werden sich zudem rasant weiterentwickeln.
(Sommer 2022): Tatsächlich kommen immer mehr Blended Learning-Angebote auf den Markt. Ganze Branchen haben den Trend aufgenommen. Mit der Revision des AdA-Baukastensystems werden beispielsweise die Lehrgänge SVEB-Zertifikat, Ausbilder/in mit eidg. Fachausweis und Ausbildungsleiter/in mit eidg. Diplom künftig nur noch in diesem Format angeboten. Die Aussage, dass gewisse Inhalte online nur schlecht vermittelt und trainiert werden können würde ich heute relativieren. Die Praxis zeigt, dass fast alles auch virtuell möglich ist.
Daniel Herzog (2021): Vorübergehend werden wir uns mit Virtual Reality-Brillen noch wirklichkeitsnaher im Bildungsumfeld bewegen. Neue Technologien werden in Kürze weitere ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. Die neuen Technologien werden auch der Digitalisierung der Bildung einen weiteren Schub verleihen. Viele Bildungsanbieter testen vermehrt auch hybride Veranstaltungen. Langfristig werden Präsenzveranstaltungen dank neuen Technologien stark an Bedeutung verlieren.
(Sommer 2022): Die Game-Chancer-Technologie ist am Horizont noch nicht sichtbar. Ich bin aber nach wie vor überzeugt, dass wir uns in spätestens zehn Jahren virtuell als Hologramm in den Seminarraum oder ins Sitzungszimmer einklinken und das Gegenüber mit seiner gesamten Gestik und Mimik sehr wirklichkeitsnah wahrnehmen können.
Daniel Herzog (2021): Die Investitionen in die Digitalisierung nehmen zu. Blended Learning-Formate und individualisiertes Training benötigen eine technische Infrastruktur. Die grösste Investition wird aber für die Entwicklung digitaler und virtueller Lerninhalte nötig sein. Die Lernwerkstatt Olten, Bildungszentrum für Erwachsenenbildung, Coaching, Beratung und Personalmanagement investiert im Jahre 2022 beispielsweise rund 400’000 Franken in die Digitalisierung.
(Sommer 2022): Es zeigt sich, dass gerade kleinere Anbieter Mühe bekunden, die nötigen Investitionen zu stemmen. Gut konzipiert bietet die Digitalisierung den Kunden einen enormen Mehrwert. Hier gilt es als Anbieter den Anschluss nicht zu verlieren.
Daniel Herzog (2021): Die Personalentwicklungsabteilungen konzentrieren sich immer mehr auf strategische Bildungsthemen. Die tertiäre Aus- und Weiterbildung in der Schweiz ist eines der Erfolgsrezepte unseres Wohlstandes. Anbieter von eidgenössischen Fachausweisen und Höheren Fachprüfungen, Höhere Fachschulen, Fachhochschulen, Universitäten und die technischen Hochschulen versorgen die Wirtschaft mit bestens ausgebildeten Mitarbeitenden. Die Angebote werden laufend den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes angepasst.
(Sommer 2022): Gerade im Bereich der Höheren Berufsbildung bilden Revisionen von Berufsprüfungen und Höheren Fachprüfungen ein normaler Prozess. Diese gewährleisten, dass die Abschlüsse stets den Bedürfnissen der Wirtschaft und Gesellschaft entsprechen. Die Weiterbildung von Bildungsfachleuten wird beispielsweise aktuell umfassend revidiert. Mit dem neuen Baukasten 2023 werden die Ausbildungsangebote an die nötigen Kompetenzen der Bildungsfachpersonen von morgen angepasst.
Daniel Herzog (2021): Die Lernwerkstatt Olten war mit dem Jahr 2021 sehr zufrieden. Trotz Pandemie. Insbesondere der Bereich Coaching und Mentoring ist stark gewachsen. Die Ausbildung zum Coach (www.coach-werden.ch) ist ein Erfolg. Unsere Events haben auch wieder Fahrt aufgenommen.
(Sommer 2022): Interessanterweise sind gerade im Coaching-Bereich unsere reinen Online-Angebote weiterhin am meisten gefragt. Um der Spezialisierung gerecht zu werden, haben wir in der Zwischenzeit Lehrgänge zum Job Coach und Business Coach entwickelt. Das Bedürfnis nach physischen Treffen ist auch gross, aber nur, wenn die Veranstaltung gegenüber einer virtuellen Durchführung einen Mehrwert bietet. Um an einem reinen Referat teilzunehmen, ist man heute immer weniger bereit einen langen Anreiseweg in Kauf zu nehmen.
JoW