In der neuen Welt braucht es eine geeinte und agile Schweiz


    Kolumne


    Zwei Wochen Trump – und die Welt steht Kopf. Die US-Regierung bestätigt, was Europa und die Schweiz ignorierten: Aussenpolitik hat wenig mit Freunden und Werten, sondern mit Interessen zu tun.

    Dr. Stefan Brupbacher

    Lange hat sich Europa überschätzt: Die Rettung in zwei Weltkriegen und im Kalten Krieg durch die USA wurde nicht mit eigenständiger Verteidigungsfähigkeit verdankt. Stattdessen wurde der Sozialkonsum ausgebaut und die Gefahr von Russland ignoriert. Nun steht Europa nackt da.

    Mit neokolonialistischen Regeln verärgert die EU die Schwellenländer. So benachteiligt die Entwaldungsverordnung Produkte aus Brasilien und Indonesien; Frankreich und Spanien haben ihre Wälder schon längst zerstört. Das macht Europa unglaubwürdig.

    Und die Schweiz als kleine, offene und unabhängige Volkswirtschaft? Wir stehen zwar früh auf, wachen aber erst spät auf. Während die EU-Kommission von Wettbewerbsfähigkeit spricht, haben in der Schweiz 200’000 Personen die Konzernverantwortungsinitiative 2.0 unterschrieben. Sie übertrumpft den Regulierungswahnsinn der EU. Wir sind das Schlusslicht bei den Ausgaben für die Landesverteidigung. Die dogmatische Interpretation der Neutralität zerstört unsere Verteidigungsindustrie. Und Linksextreme wollen mit der JUSO-Enteignungsinitiative beste Steuerzahler zum wirtschaftlichen Freiwild machen.

    Die Schweiz hat vergessen, wieso sie erfolgreich ist. Die Butter auf dem Brot verdanken wir dem Binnenmarkt, den Honig verdienen wir im Export. Und dieser ist in der neuen Welt gefährdet. Betroffen sind neben Pharmariesen die Tech-Industrie. Die über 1400 Mitgliedfirmen von Swissmem beschäftigen in der Schweiz ca. 330’000 Mitarbeitende – mehr als zur Jahrtausendwende. Von Deindustrialisierung also keine Spur! 90 Prozent unserer Mitglieder sind KMU, oft über Generationen von Familien geführt.

    Unsere Mitglieder sind oft Weltmarktführer: Weltweit werden 60 % aller Verpackungen auf den Maschinen von Bobst gefertigt, 70 % aller Mahlwerke für Pasta, Brot oder Schokolade kommen von Bühler und das Gleiche gilt bei Maschinen für Wattestäbchen von Falu und für Tampons von Ruggli. Kaum ein Natel, Windrad, Computerchip und Auto wird nicht teilweise auf Schweizer Maschinen gefertigt.

    Aber in der Trumpschen Welt sind unsere Unternehmen enorm gefordert:
    Ein erstes Problem sind Sie, geschätzte Leserinnen und Leser! Sie kennen unsere versteckten globalen Champions nicht. Damit fehlt den Firmen der Nachwuchs, wenn dieser, dessen Eltern und die Lehrpersonen spannende Jobs wie Konstrukteure, Automatiker oder Polymechaniker übersehen. Bei uns kann man über Weiterbildung von der Lehre bis zum CEO aufsteigen.
    Zweitens muss sich die Politik an unseren Pakt für eine starke Industrie erinnern: Statt hoher Subventionen für wenige Firmen wie im Ausland brauchen wir beste Rahmenbedingungen für alle Firmen. Das ist für den Steuerzahlenden viel billiger!

    Das bedeutet Marktzugang ohne Zölle und Regulierungen. Zentral sind die Bilateralen III, die Swissmem befürwortet – solange die Gewerkschaften keine Geschenke erhalten, die den freiheitlichen Arbeitsmarkt schleifen. Zudem brauchen wir Freihandelsabkommen. Hier besteht ein Wettrennen, denn der Welthandel wird sich um die USA herum organisieren. Das Abkommen mit Indien war ein Schweizer Erfolg und erste europäische Firmen verlagern ihre Produktion wegen wegfallender Zölle in die Schweiz. Aber beim Abkommen mit Mercosur liegt die EU vorne. Hier müssen wir nachziehen. Verbesserungen braucht es zudem beim Abkommen mit China, und vielleicht klappt es sogar mit den USA! Selbst Bauernpräsident Markus Ritter unterstützt generell obige Abkommen. Er weiss: Wer heute wie Links-Grün Freihandelsabkommen mit Referenden gefährdet und verzögert, verrät die Exportindustrie und ihre Mitarbeitenden.

    Drittens darf es kein Rütteln an unseren institutionellen Stärken geben: Schuldenbremse und unabhängige Nationalbank haben die Inflation tief gehalten und uns vor dem Joch der Schuldzinsen bewahrt. Und der flexible Arbeitsmarkt hat, zusammen mit einer leistungsorientierten öffentlichen Schule und der Berufsbildung für wenig Arbeitslosigkeit und Aufstiegschancen gesorgt.

    Dank früherer Tugenden und Leistungen über Generationen steht die Schweiz heute relativ gut da. Und wir haben eigentlich gute Karten gegenüber Präsident Trump – trotz Überschuss bei Güterexporten in die USA: Wir haben 2024 alle Industriezölle abgeschafft, wir investieren stark in den USA und haben keinen CO2-Grenzausgleich wie das Bürokratiemonster der EU.

    Dies gibt uns etwas Luft, die wir nutzen müssen. Bei Freihandelsabkommen, beim Aufbau unserer Verteidigung, bei der Sicherung gesunder Finanzen müssen wir merken: Nur eine einig und agil handelnde Schweiz, die nicht der Vergangenheit nachtrauert, wird künftige Stürme erfolgreich überstehen!


    Zur Person:
    Dr. Stefan Brupbacher, promovierter Jurist, war Generalsekretär des WBF sowie der FDP Schweiz und sammelte Erfahrungen in verschiedenen Führungspositionen. Seit 2019 ist er Direktor von Swissmem und Vorstandsmitglied von Orgalim, dem europäischen Dachverband der Technologie-Industrien.

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