Ab sofort ist die fast 5000 Jahre alte Bogenausrüstung vom Schnidejoch im Bernischen Historischen Museum zu sehen. Herzstück des einzigartigen Ensembles ist ein Bogenfutteral aus Birkenkork (Rinde). Das Bogenfutteral blieb nach seiner Entdeckung 2003 vorerst eingefroren, da zu wenig Wissen über das Trocknen von Birkenkork vorhanden war.

Im Hitzesommer 2003 fand eine Wanderin am Schnidejoch oberhalb der Lenk ein fremdartiges Objekt aus Birkenkork. Sie übergab es dem Bernischen Historischen Museum. Dies war der Beginn der «Eisarchäologie» im Kanton Bern. Der aus dem Eis freigeschmolzene Fund entpuppte sich nach den ersten Untersuchungen als ein 170 Zentimeter langes Bogenfutteral aus der Zeit um 2800 v. Chr. Ein Bogenfutteral ist eine Tasche für eine Bogenausrüstung mit aufgeschobenem Deckel. Das Objekt ist ein einzigartiger Beleg für die exzellenten Materialkenntnisse und technischen Fähigkeiten unserer Vorfahren. Zudem zeigt der Fund, dass das Schnidejoch in der Jungsteinzeit als Übergang zwischen den Berner und Walliser Alpen genutzt wurde.
Ein jungsteinzeitliches Hightechprodukt
Das Bogenfutteral besteht aus mehreren Lagen Birkenkork, die mit Lindenbast (innere Baumrinde) vernäht und an den Seiten mit Holzstäben verstärkt sind. Birkenkork ist leicht, formstabil und wasserdicht – also eine Art jungsteinzeitliches Goretex – und ideal zum Schutz einer unverzichtbaren Ausrüstung. Im Inneren seines Bogenfutterals befanden sich bei der Bergung zwei Pfeilspitzen aus Silex (Feuerstein), der in der Gegend von Olten abgebaut worden war. Ein Bogen und mehrere Pfeilschäfte aus anderen Teilen des Eisfeldes vervollständigen die Ausrüstung.
Nachhaltige und technisch einfache Konservierung
Nach der sensationellen Entdeckung der einzigen bekannten jungsteinzeitlichen Bogentasche stellte sich die Frage, wie der über Jahrtausende im Eis eingefrorene Fund für die Nachwelt erhalten werden kann. Archäologische Funde aus Birkenkork sind selten, weshalb Wissen und Erfahrungswerte für deren Konservierung fehlten. Entsprechend kam es bei der Behandlung des Futteraldeckels zunächst zu einem Konservierungsfehler. Das Bogenfutteral wurde zur Sicherheit wieder eingefroren und im Depot des Archäologischen Dienstes eingelagert. Um eine passende Konservierungsmethode zu entwickeln, wurden das Bogenfutteral und das Material Kork im Rahmen des vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) geförderten Forschungsprojektes «Unfreezing History» an der Hochschule der Künste Bern (HKB) und der Universität Bern eingehend untersucht. In der daraus resultierenden Forschungsarbeit, die nun als Buch vorliegt, sind zahlreiche Details zur Herstellung des Futterals dokumentiert. Ebenso zeigte sich, dass das Bogenfutteral in einer formstabilen Kapsel bei kühler Umgebungstemperatur kontrolliert luftgetrocknet werden kann: eine nachhaltige und technisch einfache Lösung für den langfristigen Erhalt.
Vom Labor ins Museum
Der spektakuläre Fund vom Schnidejoch ist ab sofort im Bernischen Historischen Museum ausgestellt. Im inszenierten Grabungszelt erwartet die Besucher/innen die gesamte konservierte Bogenausrüstung von «Schnidi»: Dazu gehören das Bogenfutteral, der Bogen, drei Pfeilschäfte und zwei Pfeilspitzen. «Dieser Fund ist ein Fenster in die Jungsteinzeit. Es ist faszinierend, zu sehen, mit welch ausgefeilten technischen Details das Bogenfutteral ausgestattet ist», so Vanessa Haussener, Kuratorin Archäologie und Projektleiterin im Bernischen Historischen Museum. Die Ausstellung präsentiert zudem ein faszinierendes 3D-Modell und eine Animation über die Herstellung, die Fundgeschichte und die anschliessende Trocknung des Bogenfutterals.
pd
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bhm.ch/archäologie-aktuell