Langer Krieg – Stellvertreterkrieg


    Die Stimme der KMU und der Wirtschaft


    (Bild: zVg) Henrique Schneider

    Der Krieg in der Ukraine dauert schon mehrere Monate. Er wird vermutlich noch länger dauern. Denn keine «Kriegspartei» hat ein Interesse an seiner Beendigung. Ausser der Ukraine. Doch sie zählt nicht.

    Beginnen wir mit dem Anfang: Wer ist Kriegspartei? Auf der einen Seite steht die Ukraine, die sich gegen eine Invasion verteidigt. Auf der anderen Seite steht die russländische Föderation. Doch es wäre unvollständig, diesen Krieg auf diese zwei Staaten zu reduzieren. Die USA – nicht die NATO – haben genauso ein Interesse daran, wie China. Nordkorea und Iran sind auch beteiligt.

    Keine Kriegspartei ist die Europäische Union, die zuschaut und nur etwas tut, wenn die Presse motzt. Auch die Schweiz ist nur die Zuschauerin der Zuschauer, die sich nur bewegt, wenn die EU reklamiert.

    Natürlich ist der Krieg in der Ukraine die Verteidigung eines Landes gegen die Invasion eines anderes. Aber er ist auch ein Stellvertreter-Krieg, in dem sich die USA und China ihre Kräfte messen. Und es ist nicht in ihrem Interesse, den Krieg schnell zu beenden.

    China und natürlich auch die russländische Föderation wollen den Krieg gewinnen. Es ist dabei unklar, was als Sieg zählt. Ist es die Annexion der ganzen oder eines Teils der Ukraine? Ist es die vermeintliche Befreiung russischsprachiger Gebiete? Das ist aber auch egal. Russland kann es sich innen- und aussenpolitisch nicht leisten, zu verlieren oder zu etwas zu zustimmen, was einem Kompromiss gleichkommt. Wenn der Preis des Sieges ein langer Krieg ist, dann wird es ein langer Krieg sein.

    Noch weniger kann sich China leisten, mit einer russländischen Niederlage konfrontiert zu werden. Heute ist Russland einer der engsten Verbündeten des Kommunisten-Regimes. Nicht nur das. China hat in der letzten grossen Militärreform seine Streitkräfte nach der russischen Einsatzdoktrin organisiert.

    Eine Niederlage im Krieg würde bedeuten, Peking hätte sich verschätzt und die Armee mit ihrer Ausrichtung auf Deutschland geschwächt. Das birgt innenpolitischen Sprengstoff in China. Entsprechend will die kommunistische Führung einen wie auch immer gearteten Sieg sehen, auch wenn der Krieg dafür verlängert wird.

    Iran und Nordkorea wollen sich in diesem Krieg vis-a-vis China profilieren. Wenn sie Waffensysteme oder Know-how an Moskau liefern, dann um Peking zu zeigen, dass sie die viel stärkeren militärischen Partner wären. Je länger Russland auf sie angewiesen sind, desto stärker positionieren sie sich.

    Doch wer am meisten Grund hat, sich ob eines langen Krieges zu erfreuen, sind die USA. Mittlerweile gilt es als gesichert, dass sie – vielleicht zusammen mit Grossbritannien – der ukrainischen Seite Nachrichten zuspielen und hier und da mit Munition und Taktik aushelfen. Die Amerikaner geben der Welt eine wichtige Botschaft. Sie lautet:
    «Wir müssen der Ukraine nur ab und zu Informationen geben, ein bisschen Geld und altes Material und schon kann sie die zweitstärkste Armee der Welt in die Knie zwingen.» Diese Botschaft ist genau gegen Peking gemünzt. Sie ist auch eine Botschaft an alle Länder, die zwischen China und USA schwanken. Die USA will sich als so stark zeigen, dass sie nicht einmal direkt in einen Krieg einsteigen müssen. Sie können über die Bande Russland und China demütigen. Je länger der Krieg dauert, desto klarer kommt die Botschaft rüber.

    Je länger der Krieg dauert, desto stärker erscheinen die USA. Dabei hat Washington die Grösse, die NATO in dieser Thematik zu beeinflussen. Damit verliert auch das Bündnis das Interesse, den Krieg schnell zu beenden. Und damit signalisieren alle zusammen, dass der Westen die besseren Ideen hat und stärker ist – so geht die Botschaft.

    Natürlich wird dadurch das Leiden der Ukrainer in die Länge gezogen. Was soll’s? Die Geschichte zeigt, dass man sich noch selten über die Kollateralschäden von Stellvertreterkriegen gekümmert hat.


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    Zur Person:
    Henrique Schneider ist Verleger der Umwelt Zeitung. Der ausgebildete Ökonom befasst sich mit Umwelt und Energie aber auch mit Wirtschafts- und internationaler Politik.

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